Renovierung 2002-2007

Kurz vor Weihnachten des Jahres 2002 musste die evangelisch-lutherische Kirche St. Ulrich in Augsburg wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. Über vier Jahre lang dauerten die umfassenden Restaurierungsarbeiten, bis die Kirche am 6. Mai 2007 mit einem großen Fernsehgottesdienst feierlich geöffnet werden konnte. St. Ulrich liegt am südlichen Ende der Hauptachse des alten Augsburg, der Maximilianstraße. Sie war bis zur Reformation Teil der alten reichsunmittelbaren Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra.

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Die Geschichte dieses Teils der Klosteranlage reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Damals war an der Stelle der heutigen Kirche St. Ulrich eine große überdachte Arkadenhalle, die „Ulrichsgred“, durch die die Wallfahrer in die Abteikirche St. Ulrich und Afra gelangten. Im Jahr 1457 mauerte man die Arkaden der Vorhalle zu und richtete in der weiträumigen Vorhalle die Gemeindekirche ein. Die Reformation ließ St. Ulrich und St. Ulrich und Afra zu einer Besonderheit werden: Das Predigthaus bei St. Ulrich wurde Gemeindekirche der 1526 evangelisch gewordenen Gemeinde St. Ulrich. Die Abteikirche St. Ulrich und Afra, zu der nach wie vor ein relativ großer Durchgang war, blieb katholische Klosterkirche. Eine grundlegende Erneuerung zu Beginn des 18. Jahrhunderts machte St. Ulrich zu einem Paradebeispiel für evangelischen Kirchenbau des 17. und 18. Jahrhunderts. Dennoch reichen einzelne Bauteile, wie die Agneskapelle aus dem 12. Jahrhundert, weit zurück.

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Anlass die Kirche genauer anzusehen waren große Schäden in der weitgespannten Stucktonne aus dem frühen 18. Jahrhundert. Ursache waren einerseits Systemmängel der Dachkonstruktion, die zu einem Ausweichen der Außenwände am Wandkopf geführt hatten. Andererseits hatten holzzerstörende Pilze und echter Hausschwamm die Auflager so sehr geschädigt, dass die Standsicherheit gefährdet war. Eine weitere Schadensquelle war, dass die Lattenschalung der Decke nicht versetzt verlegt wurde, sondern dass durchgehende Lattenstöße bestehen, so dass sich große Querrisse ausgebildet hatten.

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Das konstruktionsgeschichtlich äußerst interessante Dachwerk hatte den entscheidenden Mangel, dass die Kreuzstreben an der Traufe druckfest angeschlossen waren, jedoch tatsächlich auf Zug belastet sind. Zudem war der obere Anschluss der Kreuzstreben an die Sparren überlastet. Dieser wurde durch den Einbau eines neuen Zugstabs ertüchtigt.

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Äußerst diffizil war die Reparatur der desolaten Traufe. In detailliert entwickelten Abläufen wurde die Sanierung durchgeführt. Erschwert wurden die Arbeiten durch die Allgegenwart des echten Hausschwamms, der sich bis weit in die Bohlenbinder der Deckenkonstruktion zieht und ohne Zerstörung der Stuckdecke nicht vollständig zu beseitigen war.

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Aufwändige Baubehelfe sicherten den Bestand während der Reparatur. Erst danach konnte die Arbeiten an der Traufe durchgeführt werden. Die Mauerschwellen waren fast vollständig zu ersetzen, ebenso große Teile der kurzen Balkenstücke auf denen die Gebinde aufsitzen.

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Das Auswechseln der Lagerbalken war die eigentliche planerische Herausforderung der Instandsetzung. Nach dem vorsichtigen Ausbau mussten die Neuhölzer wegen der örtlichen Geometrie mehrteilig eingebaut und abschließend in der Lage gesichert werden.

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Nach dem Abschluss der holzkonstruktiven Arbeiten am Dachwerk war die Gesamtsituation soweit stabilisiert, dass die Stuckdecke repariert werden konnte. Einzelne, durch Wasserschäden zerstörte Formteile mussten von den Stuckateuren neu gearbeitet werden. Die quer verlaufenden Lattenstöße wurden meist freigelegt, mit Zeitungspapier überspannt und neu einstuckiert.

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Um keine sich störend abzeichnenden Ansätze zu erzeugen, muss das Kalken und Eintönen der großen Flächen sehr zügig erfolgen.

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St. Ulrich besitzt einen herausragenden Gemäldebestand des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Bilder waren jedoch oft nicht mehr lesbar, meist weil der Firnis krepiert war, gelegentlich waren auch frühere Übermalungen von sehr dürftiger Qualität. Finanziert durch Spenden konnten fast alle Gemälde restauriert werden, alte Farbenpracht kehrte wieder und prägt heute ganz wesentlich den Raum.

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St. Ulrich ist eine Schatzkammer. Für die Zeit der Innenrestaurierung mussten die Gemälde von den Wänden genommen, wertvolle Stücke eingelagert werden. Dazu wurde im Innenraum nach den Empfehlungen eines erfahrenen Fachplaners ein temporäres Depot eingerichtet. Vorteile: Die Kunst blieb die meiste Zeit in gewohnter klimatischer Umgebung und sie konnte aus einer Nähe besichtigt werden wie es für lange Zeit nicht mehr möglich sein wird. Manche Spende dürfte darauf zurückzuführen sein.

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Die große, in Augsburg weithin bekannte Orgel musste ausgebaut werden und wurde ebenfalls in die „Kunstkammer“ gepackt. Nach Abschluss der Arbeiten war beim Wiederaufbau eine große Orgelreinigung erforderlich. Renovierungen der 1950er Jahre hatten eine unglückliche Farbkonzeption zur Folge. Bauteile, die dem restauratorischen Befund nach ganz offensichtlich einem gemeinsamen Konzept entsprechend gestaltet waren, waren damals „auseinander restauriert“ worden. So hatte man die ursprünglich maserierten Emporen im einen Fall weiß gestrichen, im anderen Fall abgebeizt. Die tragenden Säulen waren dagegen rot marmoriert worden, obwohl sie ursprünglich wie die Emporen selbst Holz imitierend maseriert waren. Letztlich wurde Schritt für Schritt das Gestaltungskonzept von 1709 wieder gewonnen.

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Die Empore und das Gestühl von St. Ulrich stammen aus dem späten 17. Jahrhundert. Die Mitte war damals leer – ohne Bänke,eine Verlängerung der Stadtachse bis hin zum Altar darstellend. In Reaktion auf die veränderten gemeindlichen Bedürfnisse wurden die schweren Mahagonibänke durch kleinere, leichtere Bänke aus gedämpfter Fichte ersetzt, die auch farblich zurücktreten und den Raum nicht stören. Unter den Emporen wurden hingegen in Reaktion auf das dort befindliche Gestühl farblich eigens angepasste Stühle gestellt.

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In der Adventszeit 2006 wurde die Fassade enthüllt, was in Augsburg großes Aufsehen und fast nur Anerkennung fand (Bayerischer Denkmalschutzpreis 2008 in Gold, Rede von MP Dr. Beckstein siehe unten). Die Farbfassung folgt wie im Inneren der Form von 1709. Diese konnte nach aufwändigen Recherchen vor Ort und anhand von zahlreichen historischen Plänen und Zeichnungen wieder gefunden werden, stark erschwert durch die zweifache Putzerneuerung während der letzten 100 Jahre. Am 6. Mai 2006 wurde St. Ulrich wieder geöffnet (Pressemitteilung). Den Gottesdienst hielt der Bayerische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich. Seitdem ist St. Ulrich wieder Gemeindekirche, aber auch gerne besuchter Ort von Kunstfreunden und Touristen. Zahlreiche Veranstaltungen beleben den Raum; nach Aussage von Bildjournalisten einer der schönsten Kirchenräume Bayerns, weshalb nun schon mehrere Fernsehaufzeichnungen aus St. Ulrich übertragen wurden.

Architekt

Hans-Heinrich Häffner

Sponsoren

St Ulrich wurde gerettet und saniert dank Mitteln der Landeskirche, Gesamtkirchengemeinde Augsburg, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bayerische Landesstiftung, Bayerischer Kulturfonds, Kurt und Felicitas Viermetz Stiftung, Stiftung Kirchenbau, Stadtsparkasse Augsburg, Förderverein St. Ulrich und vieler, vieler Spender. Von Herzen: Vergelt´s Gott!